Tragödie, Fest, Gericht
HAU 3, 01.11.2003 16.00 Uhr. Cornelia Vismann spricht über die Beziehung zwischen Theater und Gericht. Während heute Theater und Gericht in einem parasitären Verhältnis zueinander stehen - die Gerichtsszene räubert die performativen Elemente des Theaters, das Theater greift seinerseits aus auf die Sphäre der Wahrheit, in der die Justiz residiert - trifft dies für die Antike nicht zu. Die griechische Tragödie unterscheidet beide Schauplätze nicht. Sie erstellt ein ihr eigenes Forum zur Verhandlung von Recht und Wahrheit. Ähnlich undifferenziert geht es bei den griechischen Opferfesten zu. Sie sind theatrale Inszenierungen antiker Mythen. Und weil Mythen stets von einem Verbrechen berichten, gelangt dieses im Opferfest zu einer ritualisierten Aufführung. Die Verbrechen werden nachgespielt. Rejourner les crimes nennt der Rechtstheoretiker Pierre Legendre das bezogen auf Gerichtsverhandlungen.
Dr. Cornelia Vismann studierte Rechtswissenschaft und Philosophie in Freiburg, Hamburg und Berlin. Sie arbeitete als Rechtsanwältin in Berlin, als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Stiftung Einstein Forum in Potsdam sowie an der Juristischen und Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/ Oder. Nach ihrer Tätigkeit am Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt/ Main und einem Fellowship am Wissenschaftskolleg Berlin, wird sie ab Oktober 2003 als Fellow am Internationalen Forschungsinstitut für Kulturwissenschaften (IFK) in Wien forschen.
 
Publikationen: Akten. Medientechnik und Recht,(2001); Vom Griechenland (2002); zusammen mit Friedrich Kittler; "Verbrechen darstellen", in: Pierre Legendre. Historiker, Psychoanalytiker, Jurist (Tumult. Zeitschrift für Verkehrswissenschaft, Heft 26) 2001; "Tele-Tribunals. Anatomy of a medium" in: Greyroom 10 (2002)